MT Widerruf und Nichtigerklärung eines Patents


Einleitung

Ein Patent ist zu widerrufen, wenn sein wesentlicher Inhalt aus einer widerrechtlichen Entnahme resultiert. Eine widerrechtliche Entnahme liegt vor, wenn der wesentliche Inhalt einer Anmeldung, eines Patents oder eines Gebrauchsmusters den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen eines anderen oder einem von diesem angewendeten Verfahren ohne dessen Einwilligung entnommen worden ist. Voraussetzung ist somit, dass der Betroffene Erfindungsbesitz hatte. Hierunter versteht man denjenigen Zustand, der die Möglichkeit gewährt, die Erfindung zu benutzen. Voraussetzung des Widerrufs eines Patents ist zudem, dass derjenige, der durch die widerrechtliche Entnahme verletzt worden ist, innerhalb von drei Monaten nachdem die Patenterteilung veröffentlicht wurde, Einspruch erhebt. Dritte, die durch eine widerrechtliche Entnahme nicht beeinträchtigt wurden, sind nicht einspruchsberechtigt.

Beschieden wird über den Einspruch in der Regel durch die Patentabteilung des Bundespatentgerichts. Auf Antrag eines Beteiligten und bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen kann die Entscheidung jedoch auch von einem Beschwerdesenat des Gerichts getroffen werden. Ein Widerruf des Patents erfolgt nur insoweit als es auf einer widerrechtlichen Entnahme beruht. Dementsprechend wird derjenige Teil des Patents aufrechterhalten, für den diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der Widerruf beseitigt die Wirkungen des Schutzrechts und der Anmeldung mit Rückwirkung. Ist der Widerruf mit keinerlei Rechtsmitteln mehr angreifbar, so erledigt er demnach eine Übertragungsklage, die gegebenfalls zu dieser Zeit anhängig ist. Andersherum tritt hinsichtlich des Einspruchs - dies hat nunmehr auch der Bundesgerichtshof bestätigt - keine Erledigung durch eine Übertragung des Patents auf den Einsprechenden ein. Nach dem Widerruf des Patents nämlich hat der Berechtigte die Möglichkeit, eine eigene Anmeldung einzureichen. Durch diese Anmeldung kann er mitunter auch Vorteile erlangen, die ihm der Erwerb der Erfindung nicht hätte verschaffen können.

Der Berechtigte ist im Rahmen seiner Anmeldung zwar an den ursprünglichen Offenbarungsgehalt der rechtswidrigen Anmeldung gebunden. Der Bundesgerichtshof geht jedoch davon aus, dass das Interesse des Berechtigten an einem Widerruf des Patents bereits daraus folgt, dass ihn Verzichte und Beschränkungen des Voranmelders bei einer Nachanmeldung eben nicht binden. Daher habe er die Möglichkeit, selbst gestaltenden Einfluss auf die Fassung der Patentschrift und vor allem auf die der Patentansprüche zu nehmen. Dieser Vorteil ist jedoch nicht überzubewerten. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Nachanmelder zum einen durch Verzichte und Beschränkungen grundsätzlich nur insoweit gebunden ist, als sie sich in der Fassung des erteilten Patents niederschlagen. Zum anderen ist bei einer Neufassung der Patentansprüche das patentrechtliche Verbot der Erweiterung des Schutzbereichs zu beachten. Dieses Verbot hat den Zweck, das Interesse unbeteiligter Dritter an Rechtssicherheit zu schützen. Dieses Verbot kann auch nicht deshalb außer Betracht bleiben, weil im Patentgesetz mitunter die Möglichkeit vorgesehen ist, durch eine formale neue Anmeldung eine Erweiterung der Anspruchsfassung zu erreichen.

Keine Beachtung in der Darstellung des Bundesgerichtshofs hingegen findet der Vorteil, dass bei einer Nachanmeldung die Laufzeit des Patents erst mit dieser Anmeldung und bereits ab dem Zeitpunkt der Voranmeldung zu laufen beginnt. Problematisch allerdings ist, dass sich für diesen Vorteil keine sachliche Rechtfertigung finden lässt. Es ist somit auch weiterhin zu bezweifeln, dass das Nachanmelderecht schutzwürdigen Interessen des Verletzten diene, die er durch eine Übertragungsklage nicht zu wahren vermag. Bei genauer Betrachtung spricht bezogen auf die derzeitige Rechtslage daher nur wenig gegen die Annahme, der aufgrund einer widerrechtlichen Entnahme erhobene Einspruch erledige sich nach Übertragung des Patents auf den Einsprechenden. Unter rechtspolitischen Gesichtspunkten scheint jedoch viel dafür zu sprechen, diesen Grund des Einspruchs abzuschaffen.

Die Nichtigerklärung eines Patents

Auf Antrag kann ein Patent, das auf einer widerrechtlichen Entnahme beruht, ganz oder zum Teil für nichtig erklärt werden. Der Antrag auf Nichtigerklärung des Patents ist in einer Nichtigkeitsklage an das Bundespatentgericht zu richten. Für diesen Antrag gilt keine Frist. Er ist jedoch nicht zulässig, bevor die Einspruchsfrist abgelaufen und ein anhängiges Einspruchsverfahren erledigt ist. Auch im Rahmen der Nichtigkeitsklage besteht eine Antragsberechtigung ausschließlich für den Verletzten. Wird ein Patent für nichtig erklärt, so gelten alle Wirkungen des Patents, die von der Wirkung der Nichtigerklärung erfasst sind, als von Beginn an nicht eingetreten. Anders als beim Widerruf steht dem erfolgreichen Kläger jedoch nicht die Möglichkeit einer prioritätsbegründenden Nachanmeldung offen. Daran schließt sich die Annahme der Erledigung der Nichtigkeitsklage für den Fall an, dass das Patent auf den Kläger übertragen oder dessen Übertragungsklage rechtskräftig stattgegeben wird. Diejenigen Gründe, die beim Einspruch unter Umständen eine andere Beurteilung geboten erscheinen lassen, kommen hier nicht in Betracht.

Einspruch und Nichtigkeitsklage im Verhältnis zu Mitinhabern

Ein Einspruch und eine Nichtigkeitsklage wegen widerrechtlicher Entnahme sind nicht zulässig im Verhältnis zwischen Mitinhabern des Rechts auf das Patent. Hier bietet die Möglichkeit der Übertragungsklage ausreichender Schutz. Durch eine solche Klage kann der verletzte Mitinhaber nämlich die Einräumung einer Mitberechtigung durchsetzen. Wären Einspruch oder Nichtigkeitsklage in einem solchen Fall möglich, so erhielte der verletzte Mitberechtigte mehr als ihm eigentlich zusteht. Den anderen Mitinhabern würde so ungerechtfertigt ihre Rechtsstellung gänzlich entzogen. Anders stellt sich die Situation jedoch dann dar, wenn der Patentsucher eigenmächtig eine fremde Erfindung in die Anmeldung einbezogen hat. Bildet diese einen abtrennbaren Bestandteil des Patentinhalts, so besteht hier keine Gemeinschaft bezüglich des Rechts auf das Patent. Die Durchsetzung des Übertragungsanspruchs führt zur Entstehung einer Rechtsgemeinschaft. Der Berechtigte kann die Entstehung einer solchen Gemeinschaft umgehen, indem er das Patent zum Teil beseitigen lässt. Erlangt ein Dritter ein Patent in einer Weise, die gegenüber allen Mitinhabern als widerrechtliche Entnahme zu qualifizieren ist, so ist jeder einzelne Mitinhaber allein berechtigt, gegen den Dritten vorzugehen. Die Legitimation hierzu folgt aus dem Mitbesitz an der Erfindung.

Einwendungen gegen Einspruch und Nichtigkeitsklage

Dem Einspruch und der Nichtigkeitsklage kann seitens des Patentinhabers die Einwendung entgegengesetzt werden, ihm selbst stehe das Recht auf das Patent zu. In einem solchen Fall ist bereits der Tatbestand einer widerrechtlichen Entnahme nicht erfüllt. Ist jedoch der Patentinhaber zugleich Nichtberechtigter so kann er sich weder im Einspruchs- noch im Nichtigkeitsverfahren auf den Einwand stützen, der Einsprechende beziehungsweise der Nichtigkeitskläger sei ebenfalls Nichtberechtigter. Im Gegensatz zum Übertragungsanspruch verlangt der Antragsteller im Rahmen eines Einspruchs oder einer Nichtigkeitsklage das Patent nämlich nicht für sich. Er begehrt vielmehr ausschließlich die Beseitigung des Patents. Daher ist es auch ausreichend, dass jedenfalls der Inhaber des Patents nichtberechtigt ist. Des Weiteren darf er im Verhältnis zum Antragsteller keine Befugnis zur Anmeldung haben. Nur unter größeren Schwierigkeiten lässt sich die Nichtzulasung des Einwands magelnder Berechtigung damit begründen, dass jedenfalls das Patentamt im Rahmen des Einspruchsverfahrens die sachliche Berechtigung nicht zu erörtern habe.

Allerdings kann der Tatbestand der widerrechtlichen Entnahme nicht lediglich auf Fälle einer unerlaubten Erlangung des Erfindungsbesitzes beschränkt werden. Daher sind nicht selten bereits Fragen der sachlichen Berechtigung bereits im Rahmen der Feststellung einer widerrechtlichen Entnahme zu prüfen. Wird das Patent infolge des Einspruchs eines nichtberechtigten Erfindungsbesitzers widerrufen und erfolgt keine Nachanmeldung durch diesen, so wird dadurch der tatsächlich Berechtigte seines Übertragungsanspruchs auf das Recht auf das Patent verlustig. Mitunter kann im Zeitpunkt des Widerrufs eine Übertragungsklage bereits durch Verfristung ausgeschlossen sein. Gleiches gilt, wenn das Patent für nichtig erklärt wird. Der Patentinhaber kann die drohende Beeinträchtigung seines Rechts auf das Patent dadurch abwenden, dass er den Einsprechenden beziehungsweise den Nichtigkeitskläger durch Erhebung einer Unterlassungsklage zur Rücknahme seines Antrags zwingt. Im Fall eines Einspruchs bietet sich ihm zudem die Möglichkeit, die Übertragung der begründeten Rechtsstellung zu verlangen. Auf diese Weise kann sich der Patentinhaber das Recht zur Nachanmeldung sichern. Dies gilt selbst für den Fall, dass die Einspruchsfrist bereits verstrichen ist.

Inanspruchnahme des Zeitrangs der widerrechtlichen Anmeldung

Ist der Einspruch wegen widerrechtlicher Entnahme erfolgreich, so kann im Rahmen einer eigenen Nachanmeldung der entnommenen Erfindung nach dem Patentgesetz der Zeitrang des angegriffenen Patents in Anspruch genommen werden. Dem Einsprechenden kommt insofern ein Nachanmelderecht mit Entnahmepriorität zu. Der Einspruch hat dann Erfolg, wenn im Einspruchsverfahren wegen widerrechtlicher Entnahme ein Widerruf des Patents erfolgt. Ebenfalls erfolgreich ist der Einspruch, wenn der Patentinhaber im Laufe des Verfahrens auf sein Patent verzichtet. Entsprechendes kann nur gelten, wenn der Patentinhaber selbst nach den Regelungen des Patentgesetzes den Widerruf des Patents beantragt und infolge dieses Antrags tatsächlich ein Widerruf erfolgt. Durch einen Widerruf, der auf anderen Gründen beziehungsweise Motivationen beruht, wird das Prioritätsrecht hingegen nicht erzeugt. Dieses Recht entsteht ebenso nicht bei der Nichtigerklärung eines Patents sowie bei einem Wegfall des Patents, den der Patentinhaber durch eine Nichtigkeitsklage herbeiführt. Die Priorität wird nur dann gewahrt, wenn die Nachanmeldung innerhalb eines Monats, nachdem eine amtliche Mitteilung über den Widerruf oder den Verzicht erfolgt ist, eingereicht wird. Der Gegenstand der Nachanmeldung muss vom Offenbarungsgehalt der widerrechtlichen Anmeldung gedeckt sein.

Wird die Priorität der widerrechtlichen Anmeldung wirksam in Anspruch genommen, so bestimmt sich auch der Stand der Technik für die Nachanmeldung nach dem Zeitrang der widerrechtlichen Anmeldung. Treten später neuheitsschädliche Tatsachen ein, so sind diese auch insofern nicht neuheitsschädlich, als sie nicht durch diese Anmeldung verursacht sind. In sonstigen Belangen jedoch ist die Nachanmeldung von der widerrechtlichen Anmeldung unabhängig. Somit wird der Nachanmelder auch nicht durch solche Erklärungen gebunden, die durch den Nichtberechtigten im ersten Erteilungsverfahren abgegeben wurden. In der Praxis hat diese Regelung lediglich eine geringe Bedeutung. Das Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass für die Nachanmeldung zwar die Priorität der widerrechtlichen Anmeldung gilt. Jedoch wird die Nachanmeldung nicht zurückdatiert. Die Laufzeit desjenigen Patents, welches auf die Nachanmeldung erteilt wird, beginnt somit auch erst im Zeitpunkt der Einreichung der Nachanmeldung. Mitunter kann die Laufzeit dieses Patents somit erst mehrere Jahre nach derjenigen des widerrufenen Patents enden. Ebenfalls entsprechend verschoben wird der Beginn des mit der Offenlegung und der Patenterteilung verbundenen Schutzes. Bezüglich der patentgesetzlichen Schonfrist erfolgt eine Rückrechnung vom Zeitpunkt der Nachanmeldung an. Der Berechtigte kann sich auf die Schonfrist also nicht hinsichtlich Verlautbarungen, die der Nichtberechtigte vor der Anmeldung des widerrufenen Patents mißbräuchlich herbeigeführt hat, berufen.

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