Patent: Erwartungen im Rahmen der Prüfung einer Erfindung


Einleitung

Für eine Erfindung kann nur dann ein Patent beantragt werden, wenn diese auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Dazu darf sich die Erfindung für einen Fachmann, der ein durchschnittliches Wissen und durchschnittliche Fähigkeiten hat, nicht in naheliegender Weise aus dem maßgebenden Stand der Technik ergeben. Schwierigkeiten bereitet oftmals die Frage danach, welche Erwartungen an einen durchschnittlichen Fachmann zu stellen sind. Aufgrund des wesentlichen Gleichlaufs der Beurteilung des Erfordernisses des Beruhens der Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit im Patentrecht und demjenigen des Beruhens der Erfindung auf einem erfinderischen Schritt im Gebrauchsmusterrecht gelten die folgenden Ausführungen sowohl für das Patent- als auch das Gebrauchsmusterrecht. Abweichendes gilt nur, sofern dies gesondert ausgeführt wird.

Beurteilung anhand des in Frage stehenden Fachgebietes

Die Erwartungen, die an einen durchschnittlichen Fachmann gestellt werden können, richten sich in erster Linie nach dem in Frage stehenden Fachgebiet. Die Bestimmung des entscheidenden Fachgebiets erfolgt anhand der Aufgabe, welche durch die Erfindung gelöst wurde. Nicht entscheidend für die Bestimmung sind die Personen, die die Erfindung getätigt haben oder die erfindungsgemäße Erzeugnisse nutzen. Unter Umständen kann es vorkommen, dass der Schritt, den der Erfinder machen musste, um zur Erfindung zu gelangen, für seine Fachgenossen nicht naheliegend war. Jedoch ist zu beachten, dass auch von diesen Fachleuten für die Beurteilung der Erfindung ein Fachmann heranzuziehen ist, zu dessen Gebiet die gelöste Aufgabe gehört. Daher kann auch in solchen Fällen ein erfinderischer Schritt fehlen, wenn die Erfindung für die Fachleute des betroffenen Gebiets bereits naheliegend war.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und den Europäischen Patentamts

Der Bundesgerichtshof hat zum Beispiel bezüglich einer Reisekabine für Brieftauben entschieden, dass ein Fachmann auf dem Gebiet der Karosseriebautechnik und nicht ein solcher auf dem Gebiet des Reisertaubensports heranzuziehen sei. Ähnlich hat das Europäische Patentamt entschieden, dass bei einem Verfahren zur Herstellung von gebogenen Teilen für Waschmaschinen durch Kaltverformung von Stahlblechen nicht der Hersteller von Waschmaschinen, sonder der Praktiker auf dem Gebiet der Kaltverformung von Metallteilen den erfinderischen Schritt der Erfindung zu beurteilen habe. Wenn es sich als nötig erweise, müsse auch damit gerechnet werden, dass ein durchschnittlicher Fachmann des primär einschlägigen Gebiets die Hilfe eines für ein anderes Gebiet zuständigen Fachmanns als notwendig erkennt und dann auch in Anspruch nimmt.

So hat der Bundesgerichtshof an einen Maschinenbauer, der sich die Aufgabe gestellt hatte, eine bestimmten Anforderungen genügende maschinelle Einrichtung auf elektromagnetischem Wege zu betätigen, beispielsweise die Erwartung gestellt, dass dieser im Rahmen der Lösung dieser Aufgabe einen Elektrotechniker konsultiert. In diesem Fall war die Erfindung für den Elektrotechniker naheliegend. Damit beruhte sie nicht auf einem erfinderischen Schritt. Bezüglich einer Schaltungsanordnung zum Steuern des elektrischen Antriebs einer Abfördereinrichtung hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass der hierfür zuständige Maschinenbauingenieur einen Regelungstechniker zu Rate ziehen würde. Der Maschinenbauingenieur habe nämlich erkennen müssen, dass ihm der Regelungstechniker möglicherweise Hilfe habe bieten können. Diese Hilfe sei auch nötig gewesen. Als Konsequenz seien dem Maschinenbauingenieur das Wissen und das Können eines durchschnittlichen Regelungstechnikers zuzurechnen. Das entscheidende Wissen des Durchschnittsfachmanns werde dann aus der Summe des Wissens beider Fachleute gebildet.

Unter bestimmten Umständen kann auch davon auszugehen sein, dass mehrere Fachleute unterschiedlicher Gebiete als ein Team zusammenwirken. Der Bundesgerichtshof ist diesbezüglich bei einem Verfahren zur Gravierung mittels eines Schreiblaserstrahls, der durch ein beim Abtasten der Vorlage erzeugtes Videosignal moduliert wird, von einem Team bestehend aus einem Physiker, der Laserfachmann ist, einem Elektrotechniker, der über Scannen und Modulation Bescheid weiß, und einem Chemiker, der für die lichtempfindliche Schicht des Aufzeichnungsmaterials zuständig ist, ausgegangen. In der Praxis besteht zudem vielfach das Bedürfnis, dass sich der Fachmann in gewissem Umfang auch über Arbeitsläufe erkundigen muss, die im Vorfeld oder im Anschluss an seine Erfindung im eigentlichen Sinne zu tätigen sind. Der Bundesgerichtshof hat hier bei einer First- und Gratabdeckung für Dächer, die mit Dacheindeckplatten gedeckt sind, auf einen Bautechniker abgestellt, der Erfahrung in der Herstellung von Baustoffen und Bauzubehör aufweisen kann.

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