MT Begriff und Wesen der Erfindung


Begriff und Wesen der Erfindung

Gesetzliche Bestimmungen und Entscheidungen des Bundesgerichtshofs

Eine gesetzliche Definition des Begriffs der Erfindung lässt sich weder im Europäischen Patentübereinkommen noch im Patentgesetz noch im Gebrauchsmustergesetz finden. Auch im früheren deutschen Recht gab es eine solche Definition des Gesetzgebers nicht. In den heute gültigen Vorschriften lassen sich allerdings einige Anhaltspunkte finden, die bei einer Eingrenzung des Begriffs der Erfindung hilfreich sein können. So sind beispielsweise spezielle Gegenstände und Tätigkeiten genannt, die gerade nicht unter den Begriff der Erfindung fallen sollen. In der deutschen Rechtslehre werden seit langem Bemühungen getroffen, eine einheitliche Begriffsbestimmung zu erreichen. Allerdings ist es bisher keinem der zahlreichen Vorschläge gelungen, sich durchzusetzen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass viele dieser Vorschläge dazu neigen, eine bei Fehlen besonderer Ausschlussgründe patentierbare Erfindung zu definieren. Diese Vorgehensweise vermag jedoch methodisch nicht zu überzeugen. Solche Merkmale nämlich, die das Gesetz neben der Erfindung selbst fordert, damit diese patentierbar ist, gehören logischerweise nicht zum Begriff der Erfindung.

In einem Beschluss aus dem Jahre 1969 hat der Bundesgerichtshof die dem Patentschutz zugängliche Erfindung als eine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs bezeichnet. Diese Grundlage einer Bestimmung des Begriffs der Erfindung hat der Bundesgerichtshof in einer Reihe weiterer Entscheidungen sowohl bestätigt als auch präzisiert. Eine Präzisierung hat im Speziellen dahingehend stattgefunden, dass es sich um Naturkräfte außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit handeln muss. Außerdem muss der kausal übersehbare Erfolg die unmittelbare Folge des Einsatz beherrschbarer Naturkräfte sein. Damit ist gemeint, dass eine Zwischenschaltung menschlicher Verstandestätigkeit eben nicht stattfinden darf. Fasst man diese Kasuistik zusammen, so ergibt sich, dass das Wesen einer Erfindung in der planmäßigen Benutzung beherrschbarer Naturkräfte außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges besteht. Für das Gebiet des Gebrauchsmusterrechts ist diese Begriffbestimmung entsprechend anwendbar. Die zuletzt dargestellte Begriffsbestimmung wurde nunmehr auch von der Rechtslehre weitestgehend übernommen.

Die Definition des patent- und gebrauchsmusterrechtlichen Erfindungsbegriffs des Bundesgerichtshofs ist auf das Gebiet der Technik beschränkt. Dies ergibt sich daraus, dass die Definition den Einsatz von Naturkräften als eine Voraussetzung einer Erfindung nennt. Hiermit knüpft der Bundesgerichtshof grundsätzlich an die schon vor seinen Urteilen geläufige Kennzeichnung der Erfindung als Lehre zum technischen Handeln an. Gleichzeitig nennt er für den technischen Charakter der Erfindung ein neues Kriterium. Dieses Kriterium ist von intuitiven Vorstellungen über den Begriff der Technik unabhängig. Dadurch kann der Anwendungsbereich des Patent- und Gebrauchsmusterschutzes den Fortschritten bei der Berherrschung der Naturkräfte angepasst werden. In jüngerer Zeit zeichnet sich allerdings ab, dass der Bundesgerichtshof dieses Kriterium zumindest in bestimmten Konstellationen nunmehr als zu eng erachtet. So hält er am Erfordernis des technischen Charakters (Technizität) zwar prinzipiell fest. Jedoch weicht er teilweise von dem Erfordernis eines unmittelbaren Einsatzes beherrschbarer Naturkräfte ab. Sein neuer Standpunkt ist allerdings auf eine Weise zu interpretieren, dass ein konkreter - eventuell auch mittelbarer - Bezug zum Einsatz beherrschbarer Naturkräfte weiterhin gegeben sein muss.

Die bisherige Begriffbestimmung bezieht sich ausschließlich auf den Inhalt dessen, was die Erfindung ausmacht. Über die Entstehung der Erfindung sagt sie allerdings nichts aus. Im Allgemeinen wird es allerdings als wesentlich angesehen, dass die Erfindung von Menschen geschaffen wurde. Im Gesetz spiegelt sich dieses Erfordernis in den Vorschriften über das Recht auf das Patent und den Gebrauchsmusterschutz sowie der Erfinderbenennung wieder.

Die schöpferische Leistung

Die Leistung des Erfinders wird verbreitet als eine schöpferische Leistung bezeichnet. Teilweise wird gegen diese Ansicht erwidert, dass die Tätigkeit des Erfinders im bloßen Auffinden, nicht aber der Schöpfung einer technischen Regel bestehe. Namentlich enthalte der Gedanke der Erfindung nicht die Einmaligkeit des individuellen Geistes. Vielmehr habe er lediglich einen in der Natur vorgegebenen Inhalt, welchen die Idee der Erfindung darstelle. Dieser Ansicht ist allerdings nicht zu folgen. Im Hinblick auf das erste Argument kann erwidert werden, dass selbst vom Urheberrecht, welches ja eine schöpferische Prägung voraussetzt, eine eigenpersönliche Prägung nicht gefordert wird. Das zweite Argument ist wohl für die Naturgesetze grundsätzlich zustreffend. Die Auswahl- und Verknüpfungsmöglichkeiten, die sich in ihrem Rahmen für den Versuch der optimalen Befriedigung eines Bedürfnisses in der Regel eröffnen, sind jedoch mannigfaltig. Allein die Tatsache, dass keine mögliche Lösung einer bestimmten Aufgabe den Naturgesetzen zuwiderlaufen kann, bedeutet jedoch noch nicht, dass alle möglichen Lösungen bereits vorgegebenen sind. Jedenfalls schöpferisch wird die Leistung des Erfinders daher regelmäßig in dem Sinne sein, dass sie über das Auffinden von etwas Gegebenem, wenn auch bisher Verborgenem, hinausgeht.

Sie bringt somit etwas Neues hervor. Auch in dem Fall, dass mehrere Personen unabhängig voneinander dieselbe Erfindung tätigen, hat jeder von ihnen eine schöpferische Leistung erbracht. Allein die Tatsache der Übereinstimmung im Ergebnis bedeutet nicht, dass eine entsprechende Erfindungsidee bereits zuvor Bestand hatte. Die Übereinstimmung lässt sich vielmehr damit erklären, dass ein konkretes Bedürfnis hinsichtlich der Erfindung bestand und die einschlägigen Naturgesetze einen gewissen Sachzwang ausüben. Dass solche Übereinstimmungen eher zufällige Ausnahmen sind, ist dadurch belegt, dass sie nicht allzu häufig auftreten. Die Frage nach der schöpferischen Leistung im Bezug auf die Erfindung hat keine rechtliche Bedeutung. Allenfalls lässt sie sich mit den Vorschriften über den Ausschluss von Entdeckungen vom Patent- und Gebrauchsmusterschutz in Verbindung bringen.

Entdeckungen fehlt nämlich regelmäßig der schöpferische Charakter im Sinne dieser Darstellung. Jedoch verschleiert eine solche Sichtweise den wahren Grund des Ausschlusses von Entdeckungen vom Patent- und Gebrauchsmusterschutz. Versteht man das Merkmal des schöpferischen Charakters im Sinne einer Bewertung der Tätigkeit, die zur Erfindung geführt hat, so ist es ohne patent- oder gebrauchsmusterrechtliche Bedeutung. Die Grundlagenforschung hält entsprechend den Hinweis auf den hohen Rang von Leistungen nicht als Rechtfertigung für ihren Schutz. Auf der anderen Seite kann einem Anmelder ein Patent oder Gebrauchsmuster nicht allein aus dem Grund versagt werden, dass weder er noch sein Rechtsvorgänger die Erfindung gemacht haben. Abweichendes gilt nur in den Fällen, in denen der tatsächlich zur Anmeldung Berechtigte einschreitet und widerspricht.

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