Bedeutung des Rücksichtnahmegebots im Baurecht


Im Baurecht gilt grundsätzlich ein Rücksichtnahmegebot. Dieses besagt, dass die in einem Baugebiet eigentlich zulässigen baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig sind, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Auch wenn Bauvorhaben ihrer Art nach grundsätzlich zulässig wären in diesem Gebiet, kann das Rücksichtnahmegebot der Zulässigkeit also entgegenstehen.

Ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets ist dann gegeben, wenn das Bauvorhaben mit dem speziellen Charakter des Baugebiets nicht in Einklang steht. Es ist also zunächst zu untersuchen, durch welche Bebauung das Baugebiet geprägt wird. Anschließend erfolgt die Gebietsverträglichkeitsprüfung. Allerdings ist nicht erforderlich, dass das Bauvorhaben einen Widerspruch gegen das gesamte Baugebiet darstellt. In Betracht kommt insbesondere auch eine Unverträglichkeit in Bezug auf das Nachbargrundstück oder andere Einzelbauvorhaben. Nicht jede Abweichung von der speziellen Eigenart eines Baugebiets führt gleich zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot. Vielmehr ist eine eklatante Abweichung erforderlich, die nicht lediglich eine hinnehmbare Beeinträchtigung darstellt.

Ein Bauvorhaben entspricht nach der Anzahl nicht der Eigenart des Baugebiets, wenn sich daraus ein anderes Gepräge ergibt. Wird in einem Baugebiet eine Häufung von Spielhallen verzeichnet, kann dies beispielsweise dazu führen, dass es als besonderes Gebiet für Spielhallen erscheint, obwohl hier nur einzelne Spielhallen vorgesehen sind.

Nach ihrem Umfang kann eine Anlage der Eigenart eines Baugebiets widersprechen, wenn sie sich nach Fläche und Höhe wesentlich von den übrigen dort befindlichen Bauvorhaben unterscheidet, die dem Baugebiet sein Gepräge verleihen.

Die vorgesehene Lage kann ebenfalls einem geplanten Bauvorhaben entgegenstehen. Dies ist der Fall, wenn sich aufgrund dieses Bauvorhabens auch andere Anlagen, die nicht die Eigenart des Gebiets prägen, zukünftig dort niederlassen wollen oder dies bereits haben. In dieser Konstellation würde das entsprechende Gebietsteil nicht mehr die Eigenart des sonstigen Baugebiets aufweisen.

Das Rücksichtnahmegebot dient dem einvernehmlichen Nebeneinander verschiedener Bauvorhaben in einem Baugebiet. Aus diesem Grund findet es nur Anwendung auf Vorhaben, die im selben Baugebiet geplant sind. Auf einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann sich ein Bauherr aus einem benachbarten Baugebiet gerade nicht berufen. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Bauvorhabens sind gesetzlich abstrakt formuliert. Das Rücksichtnahmegebot hingegen ordnet eine Prüfung im Einzelfall an. Dadurch kann in jeder einzelnen Konstellation im Voraus abgesehen werden, ob ein Vorhaben sich in das entsprechende Baugebiet einfügt.

In einem Baugebiet grundsätzlich zulässige Bauvorhaben sind auch dann im Einzelfall nach dem Rücksichtnahmegebot unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Dabei genügt die bloße Möglichkeit der Störungen und Belästigungen. Diese müssen noch nicht tatsächlich aufgetreten sein. Hierbei sind sowohl die Auswirkungen des Bauvorhabens auf das Baugebiet als auch umgekehrt die Auswirkungen des Baugebiets auf das Bauvorhaben zu berücksichtigen. Damit stellt das Rücksichtnahmegebot ein gegenseitiges Gebot dar.

Ob das Rücksichtnahmegebot verletzt ist, ergibt sich aus einer Abwägung der jeweils betroffenen Interessen. Gerade bei der Unzumutbarkeit der Störungen und Belästigungen sind die jeweiligen Interessen herauszustellen und zu bewerten. Die Abwägung richtet sich hierbei nach dem Gewicht der Interessen, der Art und dem Ausmaß der Verletzung oder Beeinträchtigung sowie der Verhältnismäßigkeit zwischen der Beschränkung einerseits und der Versagung der Zulässigkeit andererseits.

Als Rechtsfolge sieht das Rücksichtnahmegebot die Unzulässigkeit des Bauvorhabens vor. Dies bedeutet, dass aufgrund des Rücksichtnahmegebots die Erteilung einer Baugenehmigung verweigert werden kann.

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